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Donnerstag, 25. Juni 2015

Ein Nachmittag bei Villa Cordova in Caltanissetta: Die Umstände im CARA in Pian del Lago.

Noch am selben Nachmittag, hatten wir im öffentlichen Park „Villa Cordova“ die Gelegenheit, mit einer großen Gruppe von jungen Asylsuchenden zu reden, die im CARA*  von Pian del Lago untergebracht sind. Das erste geschilderte Problem ist das endlose Warten auf die Einberufung zur territorialen Kommission. Sie sind vor 8 Monaten angekommen und wissen schon, dass sie noch zumindest 3 Monate warten müssen, um  eine Antwort zu bekommen.Es sei sehr schwer, so lange zu warten, ohne zu wissen, ob man die Dokumente bekommt oder nicht und ohne weitere Beschäftigung. Dies ist das größte Problem, alles andere tritt in den Hintergrund. 
Wir bitten sie, uns den Ort zu beschreiben, wo sie wohnen. Dort dürfen wir laut der Genehmigung der Präfekturen nicht eintreten aufgrund des Privatsphärerechts.
Sie berichten uns über die sanitären Anlagen: Sie seien dreckig,
stinkend und defekt. Sobald man die Toiletten betritt, wird einem schlecht: Die Abflüssen funktionieren nicht und es gibt Wasser überall auf dem Boden. Es ist auch unmöglich die noch wenige laufenden Duschen zu benutzen.

Bei jeder Zentrumbesichtigung durch parlamentarische Delegationen oder andere Organisationen stellen die LeiterInnen des Zentrums immer wieder klar, dass es sich um eine temporäre Situation handelt: Sie warten auf die Genehmigung zur Renovierung der sanitären Einrichtungen. Die Instandsetzung bleibt aber weiterhin eine Fatamorgana und die hygienischen Zustände verschlechtern sich ständig. Die Leistungsbeschreibung soll den Betrag der Instandsetzung enthalten. Jedoch ist derzeit keine öffentliche Ausschreibungen auf die Internetseite der Präfektur von Caltanissetta zu finden.


Das strukturelle Problem des Zentrums besteht aber nicht in den nicht funktionierenden Hygieneeinrichtungen, sondern in der Zentrumstrukturen an sich. Die Flüchtlinge wohnen in Containern mit 17 Liegen, wie wir sie bei unserem letzten Besuch gezählt haben. Die Jugendlichen erzählen uns, dass man gerade bei aktuellen Hitze dort nicht schlafen kann.

Wir fragen auch nach der Situation mit dem Pocket Money und sie erzählen, dass der Betrag täglich auf einen elektronischen Stick übertragen wird (nach stundenlangem Warten). Jedoch kann man seit einiger Zeit mit dem Geld ausschließlich Telefonkarte kaufen, da es das einzige verfügbare Produkt bei den Automaten im Zentrum ist. Die einzige Möglichkeit Bargeld zur Verfügung zu haben – erzählen sie uns - sei die Telefonkarte weiterzuverkaufen. Allerdings für einen niedrigeren Preis, so  dass man letztendlich Teile des Taschengeld-Betrags verliert. Dies sei aber der einzige Weg um ein wenig Geld zu bekommen, das auch zum Einkaufen wichtig ist.

Bezüglich der Rechtsbeistandshilfe sagen sie, dass zuständige Mitarbeiter im Zentrum zu sehen sind. Dennoch bekommen die Asylsuchende keinerlei Beratung. Viele von denen, die in CARA wohnen und die wir in den letzten Monaten durch unser Monitoring kennengelernt haben, kannten z.B. nicht einmal den Grund der Asyl-Entscheidung der Kommission, weil sie niemand für sie übersetzt hatte. Die einzige Dienstleistung besteht darin, den Asylsuchenden, die eine Ablehnung von der Kommission bekommen haben,  die Namen von (immer den selben) Rechtsanwälten in Caltanissetta zu geben, damit sie in die Berufung gehen können. Und diese Praxis sei sogar fragwürdig, da ein explizites Verbot der Werbung für Rechtsanwaltsberuf im italienischen Gesetz besteht.

Bezüglich der Gesundheitsversorgung passiert es – wie in fast jedem Aufnahmezentrum  – dass alle Beschwerden mit ein und demselben allgemeinen Medikament behandelt werden.
Darüber hinaus informieren wir uns über die Qualität der Nahrungsmittel, und so antworten sie: „Wenn du etwas essbares haben willst, musst du das Geld des Pocket Money benutzen“; „Das Essen ist wenig und sehr schlecht. Auch das Brot kann man nicht essen. Es ist immer hart und alt“. Eine Person erzählt ironisch, dass wenn die Gemüsesuppe serviert wird, man die Gemüse-Stücke auf dem Teller zählen kann.

In Bezug auf den italienischen Kurs sagen sie, dass der Unterricht zweimal die Woche stattfindet. Es gibt zwei Niveaus, je nach Italienischkenntnis. Es ist jedoch unmöglich, die Sprache zu lernen, weil die Gruppe aus 50 Leuten bestehen und es manchmal nicht mal genügend Sitzplätze für alle gibt.

Es fällt uns nicht schwer, an der geschilderten Situation in der CARA Einrichtung zu glauben. Wir kennen das Zentrum von Pian del Lago und als Beweis zeigen wir einige Fotos, die den Zustand der Toilette und die Qualität des Essens darstellen.

Im Name des Profits und der Spekulation werden die Menschenwürde und -rechte beschädigt. Es ist inakzeptabel, dass Menschen in Container aufgenommen werden, dass Latrinen statt Hygieneeinrichtungen zur Verfügung gestellt werden, dass Menschen als Nummer behandelt werden, nicht als Personen. Diese sind Orte der Isolierung und Abschottung, die nicht existieren sollten.
Zustände wie im CARA in Pian del Lago werden durch den sogenannten “Notstand” gerechtfertigt: Das Inakzeptable tolerabel. Diesen Notstand gilt es durch eine andere Aufnahmepolitik und mehr Schutz für Asylsuchende zu verhindern.

Giovanna Vaccaro
Borderline Sicilia Onlus

*CARA: Centro Accoglienza per Richiedenti Asilo: Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende

Aus dem Italienischen von Miriam Burbarelli