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Dienstag, 12. Juli 2016

Agrigento, Trapani und Palermo: Ankünfte und Abweisungen

Ausgang  der Ladungsoperationen in den Häfen von  Palermo, Trapani und Porto Empedocle am 7. Juli 2016:

1038 Palermo
658 Trapani
246 Porto Empedocle

Für den italienischen Staat sind dies lediglich Zahlen. Oftmals werden Menschen ebenfalls nur wie Zahlen behandelt. 


Die Aufnahmestätten in Sizilien kollabieren aufgrund ihrer Überlastung und der damit einhergehenden bürokratischen Vorgänge und der endlosen Verlegungen. 
Auch die kommunalen Verwaltungen der sizilianischen Präfekturen brechen zusammen, weil ihnen schlicht Personal fehlt. Die zuständigen Ministerien bieten keine Hilfestellung bei den täglichen Problemen, die den örtlichen Verwaltungen täglich auch aufgrund von rassistischen und anachronistischen Gesetzen begegnen. 
Ein großes Problem stellt die Aufnahme von unbegleiteten Minderjährigen dar. In Palermo sind am vergangenen Donnerstag, dem 07.07.2016, über 1000 unbegleitete Minderjährige angekommen. Ihnen wird keine menschenwürdige Aufnahme geboten. Die Stadt Palermo hat die weiße Flagge gehisst, um an die Verantwortung der Ministerien zu appellieren. 
Zudem platzen die speziellen Aufnahmezentren für unbegleitete Minderjährige aus allen Nähten. Ihnen werden seit Monaten keine Gelder mehr bereitgestellt.
Deshalb werden viele Jugendliche in Notunterkünfte untergebracht. Zum Beispiel konnten 54 von ihnen letzten Donnerstag glücklicherweise in eine Unterkunft des Roten Kreuzes in Monreale (PA) gebracht werden. Sie bleiben dort bis die Präfektur eine Lösung für sie findet. Währenddessen können die jungen Menschen nicht dem unverzüglichen Schutz von Minderjährigen zugeführt werden, der ihnen von Gesetzes wegen zusteht. 
Auch wenn sie auf den ersten Blick Glück gehabt haben, in einer Notunterkunft untergekommen zu sein, so werden sie dort vermutlich für 4-6 Monate vergessen werden. Niemand wird für sie einen Antrag auf Asyl unter Benennung der Tutor*innen stellen. Niemand wird für sie die erforderlichen bürokratischen Schritte einleiten, um eine Aufenthaltsduldung aufgrund von Minderjährigkeit zu erhalten. Niemand wird sich verantwortlich fühlen. Wer sich mit der Situation abfindet, statt davonzurennen, geht Gefahr, zwischenzeitlich volljährig zu werden und in eine Notunterkunft für Erwachsene umgesiedelt zu werden, ohne dass im anschließenden Asylverfahren die bereits in Italien verbrachten Monate angerechnet werden. 
Es kann genauso gut vorkommen, dass bei Eintritt der Volljährigkeit der/die Betroffene einfach vor die Tür gesetzt wird. Denn für Asylsuchende fehlt das Geld. So lautet jedenfalls die Rechtfertigung der Betreiber von Unterkünften, wenn sie zulassen, dass jemand ohne Dach über dem Kopf, ohne Arbeit und ohne Ansprechpartner für das Asylverfahren zurückgelassen wird. 
Doch auch für die Asylsuchenden, die vergangene Woche in Villa Sikania und am Hotspot Milo angekommen sind, gibt es keine Hoffnung auf einen würdigen Empfang. Die staatlichen Aufnahmestrukturen sind überfordert, es mangelt an einem geordneten und gesicherten Verfahren. Die Aufnahme der Migrant*innen erfolgt vielmehr stümperhaft und improvisiert. In Trapani wurden wieder 100 Menschen in die Villa Sant'Andrea in 
Valderice übergesiedelt, obwohl es dort zuvor zahlreiche Proteste gegeben hatte, weil es an Platz fehlt. Das Polizeipräsidium hat währenddessen 15 Marokkaner*innen abgeschoben. Das gleiche Schicksal ereilte anderen fünf Marokkaner*innen, die mit dem Schiff Siem Pilot in Palermo angekommen waren. 
Alles geschieht unter dem Motto des Ausnahmezustands. Eine wirkliche Aufnahme geschieht nicht. 

Alberto Biondo
Borderline Sicilia

Übersetzung aus dem Italienischen von Alma Maggiore